Motor raucht! Weisser/grauer Rauch und keine HU!

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Peter B.
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Motor raucht! Weisser/grauer Rauch und keine HU!

Beitrag von Peter B. »

Hallo Arnoldfreunde,

hier ein Thema, das unseren Arnold mit Dieselmotor getroffen hat und vorher schon bei anderen Fahrzeugen beobachtet wurde und ohne genaues Ergebnis recherchiert wurde. Hier scheint jetzt der Gesamtzusammenhang klarer und auch die Lösung...

Wenn aus dem Auspuff ein heller weisser, grauer, oder bläulicher Rauch kommt, dann wird man dafür eine Erklärung haben wollen. Leichte zeitweise Wölkchen sind nämlich ein Anzeichen für einen sich ankündigenden Fehler, der irgendwann zu beheben ist. Aus 40 Jahren Erfahrung mit Mercedes Dieselmotoren OM616/OM617 habe ich natürlich auch solche beobachten können. So hatte unser alter Düdo irgendwann beim Gaswegnehmen bläuliche Wölkchen ausgestossen. Ursache waren defekte Kolben- und Ölabstreifringe, auch erkennbar am erhöhten Ölverbrauch. Dann kann es weisse Wolken geben. Wenn ein Kühlwasserverlust feststellbar ist, dann ist das die Ursache und möglicherweise die Zylinderkopfdichtung defekt....
Bei unserem 40er war der Fehler anders gelagert und eher ein Wartungsproblem, wobei verschiedene Dinge zusammen kommen müssen. Wir hatten zunächst eine gewisse Rauchbildung nach dem Kaltstart, der nur kurzzeitig auftrat und bei Fahrt und unter Last nach mehr, oder wenigen Metern nicht mehr zu beobachten war. Es wurde aber schlimmer und bei der Vorfahrt zur HU durch unsere Werkstatt, nach bestandener AU, fing dieser im Leerlaufbereich, bzw. Fahrt mit Schrittgeschwindigkeit so an zu rauchen, dass es nicht zu übersehen war. Ergebnis der HU: Erhebliche Mängel! Also war Arbeit angesagt und den/die Fehler zu finden...

Und los gehts mit der Vorgeschichte zur Wartung. Bei dem Motor wurden bei ca. 300000km eine umfangreiche Wartung durchgeführt. Das gesamte Frontend wurde überprüft, einige Dinge wie Wasserpumpe, Visko, Kurbelwellendichtring, etc. wurden dabei erneuert. Auch dabei: Die Steuerkette und eine Überholung/Austausch der Düsenkörper der Einspritzdüsen. Am Ende wurde der Förderbeginn der Einspritzpumpe überprüft und es schien alles OK, wobei man annehmen dürfte, dass der Förderbeginn mit neuer Steuerkette wieder wie Werkseinstellung sein sollte. Messung zeigte leichte Tendenz zu später, was aber am Motorlauf nicht erkennbar war. Einspritzdruck der Düsen wurde dabei an die obere Grenze 123 bar eingestellt unter Verwendung von SD265-Düsen von Monark. Die hatte ich schon vorher erneuert, denn davor waren welche von Topran (Made in Germany) drin, aber bei einem Angebot zu Monark konnte ich nicht widerstehen die besten bekannten einzubauen. Oh Wunder beim Düsentausch: Alte Düse raus, neue Düse rein, prüfen und dabei festgestellt, dass bei keiner der Düsen eine Druckabweichung aufgetreten ist. Also total easy, weil müssten mit ziemlicher Sicherheit aus der gleichen Fertigung stammen...

Dann zur Fehlersuche: Als erstes wurden die Einspritzdüsen ausgebaut und geprüft. Dabei zeigte sich bei einer Düse eine Ablagerung an der Spitze der Düsennadel. Nach Reinigung und Prüfung ohne Fehler konnten diese wieder eingebaut werden und das mit dem Rauchen war auch schon wesentlich besser, aber noch nicht ganz i.O.. Also nochmal ran, Düsen wieder raus, Kugelstifte der Vorkammern überprüft, sowie vorher schon das Thema Verdichtung, bzw. Blow-by. Ventilspiel konnte ausgeschlossen werden, da vorher schon geprüft und Blow-by, auch. Geprüft wird dies an Hand der Kurbelgehäuseentlüftung. Dazu ist der Schlauch, bzw. das Verbindungsstück zwischen Ventildeckel und Ansaugkrümmer zu lösen. Tritt dort "Dampf"
aus dann gibt es einen Blow-by. d.h. deutet auf einen Verschleiss der Zylinderlaufbahn, bzw. Kolben/Kolbenringe hin. Es trat aber, auch zur Verwunderung eines erfahrenen KFZ-Meisters, so gut wie nichts aus dem abgezogenen Verbindungsstück aus. Also von daher auch alles OK. Bleibt als letztes der Förderbeginn, oder andere schwerwiegende Themen....

Also auf zur nächsten Odyssee und einen Dieselspezialisten kontaktiert. In München gibt es einen der Wenigen mit Erfahrung, der alles zur Einspritztechnik machen kann, also nicht nur austauschen, sondern hat auch alle Prüfstände um Einspritzpumpen , etc. zu überprüfen, einzustellen, Leistungsprüfstand, uvm., also der perfekte Ansprechpartner: Bosch-Diesel-Service Hauser in Aschheim-Dornach. Nach freundlicher Anfrage konnte ich am nächsten Tag dort hinfahren und der Senior das Fahrzeug begutachten (.. und die Nachfolge ist auch sicher, denn der Junior ist bereits auch entsprechend qualifiziert :-)) . Ergebnis: Der Motor läuft zu kalt, wozu es auf der Webseite von Hauser ein passendes Beispiel von einem VW T4 gibt... Ursache: Förderbeginn der Einspritzpumpe ist zu spät, Verbrennungsraumtemperatur sinkt und Diesel kann nicht mehr vollständig verbrannt werden, bis hin zu "Zündaussetzern", also Motor läuft nicht mehr rund und stottert im Leerlauf. Nach kurzer DIskussion gab es einen gemeinsamen Nenner zur Änderung des Förderbeginns...

Änderung des Förderbeginns: Hierzu gilt es natürlich die Vorgaben vom MB einzuhalten und auch eine Nachvollziehbarkeit der vorgenommenen Verstellung sicher zu stellen. Dazu ist als Erstes eine Markierung an Kurbelgehäuse und Flansch der Einspritzpumpe mittels Meissel, o.ä. anzubringen, die die aktuelle Einstellung fixiert. Nach meiner Rechnung bedeutet ein Verdrehung der Einspritzpumpe zum Motor um 1,5mm eine Verstellung des Förderbeginns (bei Benzinmotoren nennt sich das Zündzeitpunkt ;-)) Richtung früh ca. 1°. Vorgeschlagen wurden 1-2mm und es wurden ca. 2mm Verstellung vorgenommen. Risiko dabei: Undichtigkeit der Dichtung zwischen ESP und Motor, was letztendlich den Ausbau der ESP bedeuten kann und damit Aufgabe von Spezialisten ist, denn so einfach geht das nicht, weil alles neu eingestellt werden muss und es entsprechend teuer werden wird... Um das weitgehend zu vermeiden wurden 2 der 3 Verschraubungen der ESP gelöst und der Dichtungsbereich ordentlich mit WD40 geflutet und über Nacht einwirken gelassen. Zum Lösen der Mutter zwischen ESP und Motorblock braucht es auch was ganz spezielles: Einen exakt angepassten "Hydrantenschlüssel". Idealerweise besteht dieser aus 13er-Stecknuss 1/4-Zoll, Kreuzgelenk, Verlängerung 100mm, Kreuzgelenk, Verlängerung 150mm, Adapter 1/4-Zoll auf Ratsche 3/8, oder 1/2-Zoll und natürlich der dazu gehörigen Ratsche, bzw. Drehmomentschlüssel.... Nach dem Zusammenfügen gilt es die Teile mit Isolierband gegeneinander zu fixieren und die Kreuzgelenke zu stabilisieren, damit man die entsprechende Mutter auch trifft... Vor der Verstellung gehören natürlich die Einspritzleitungen von den Einspritzdüsen abgeschraubt und diese ggfls. so verbogen, dass diese "frei" sind. Einstellung konnte mit diesen Massnahmen dann ohne Problem erfolgen. Ergebnis: Voller Erfolg! Das Rauchen ist weg und nach entsprechenden Probefahrten die HU am nächsten Tag ohne Mängel bestanden werden. Bleibt dann noch eine mögliche Undichtigkeit der Dichtung, die zu beobachten ist. Falls unvertretbar, dann muss Arni zum Dieselservice, wobei dort Termine in 6, eher 8 Wochen aufgerufen werden.... Man muss also Geduld haben und ggfls. entsprechend planen.

Viele Grüsse

Peter

P.S.: Für eine genaue Einstellung des Förderbeginns habe ich ein Verfahren verfügbar, das ich gerne bei Bedarf an anderer Stelle nach Bedarf veröffentlichen werde. Benötigt wird dazu eine Unterdruck-Handpumpe, ein Teilstück der Einspritzleitung mit Anschluss zur ESP und etwas Schlauchmaterial mit sehr kleinem Querschnitt, z.B. von einem Infusionsbesteck ;-). Einstellung kann damit ohne Verlust eines Tropfen Diesel und entsprechender Sauerei erfolgen :-)
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